WW-I-9: Frühjahrsalgenblüte in Seen

Sturmfluten sind auch eine Bedrohung für küstennahe Infrstrukturen.zum Vergrößern anklicken
Die Frühjahrsalgenblüte lässt sich mit Daten aus der Satellitenfernerkundung gut erfassen.
Quelle: Veränderte Copernicus Sentinel Daten (2023) / Kummerower See Aufnahme vom 07.05.2018

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

Frühjahrsalgenblüte setzt immer früher ein

Die Wassertemperatur hat einen wesentlichen Einfluss auf ökologische Prozesse im See. Anhand des Einsetzens der Frühjahrsalgenblüte lassen sich relevante Veränderungen in den Gewässerökosystemen erkennen, denn die Frühjahrsalgenblüte ist auf der einen Seite abhängig von den Zirkulations- beziehungsweise Schichtungsverhältnissen im See, auf der anderen Seite sind die Frühjahrsalgen ein sehr wichtiger Baustein im Nahrungsnetz.
Zwischen dem ⁠Klimawandel⁠, der winterlichen Eisbedeckung, dem Einsetzen oder der Beendigung der thermischen ⁠Schichtung⁠ und der Wassertemperatur eines Sees sowie dem zeitlichen Eintreten der Frühjahrsalgenblüte besteht ein direkter Zusammenhang. Wenn am Ende des Winters mit einer Erwärmung des Oberflächenwassers die winterliche Stagnation endet und die Frühjahrszirkulation einsetzt, gelangt nährstoffreiches Tiefenwasser an die Seeoberfläche und sauerstoffreiches Wasser in die Tiefe. Ist auch ausreichend Licht vorhanden, beginnt damit eine Phase des Phytoplanktonwachstums. Diese Frühjahrsalgenblüte klingt dann ab, wenn die Nährstoffe aufgebraucht sind, die Schichtungsstabilität zunimmt und starker Fraßdruck durch das Zooplankton ein Klarwasserstadium einleitet. Auch erhöhte Filtrationsraten durch Muscheln können das Phytoplankton reduzieren.
Höhere Winter- und Frühjahrstemperaturen können zu einem früheren Eintreten der Algenblüte führen, das Algenwachstum verstärken und die Artenzusammensetzung verändern. Das frühere Eintreten der Algenblüte deutet darauf hin, dass auch die Sommerstagnation früher einsetzt. Die sommerliche Schichtung führt dazu, dass der Austausch von Nährstoffen und Sauerstoff zwischen den Schichten nicht mehr möglich ist. In den tieferen Wasserschichten, dem Hypolimnion, kommt es infolgedessen zur Sauerstoffzehrung, vor allem, wenn die stabile Schichtung bei warmen Herbsttemperaturen auch länger im Jahr bestehen bleibt. Die unter den anaeroben Verhältnissen mögliche Nährstoffrücklösung aus dem Sediment kann eutrophierend wirken.

Die Linien-Grafik zeigt den Mittelwert der jährlichen höchsten Tidemittelwassers über 19 Jahre für Cuxhaven (Nordsee) ab 1900, für Travemünde (Ostsee) ab 1853, für Kiel (Ostsee) ab 1901, für Wittdün (Nordsee) ab 1936, für Saßnitz (Ostsee) ab 1954 und für Borkum (Nordsee) ab 1963. Alle Zeitreihen bis auf Kiel zeigen einen signifikant steigenden Trend.
WW-I-9: Frühjahrsalgenblüte in Seen

er Zeitpunkt des Eintretens der Frühjahrsalgenblüte ist stark abhängig von den im Spätwinter und Frühjahr herrschenden Temperaturen. Besonders milde Winter und überdurchschnittlich hohe Frühjahrstemperaturen wie in den Jahren 2019 und 2020 führten dazu, dass die Frühjahrsalgenblüte deutlich früher einsetzte. Die Frühjahrsalgen sind ein wichtiger Baustein im Nahrungsnetz von Seeökosystemen.

Quelle: Brockmann Consult GmbH/ CAU Kiel (Auswertung von Satellitendaten)

Der ⁠Indikator⁠ zeigt die zeitliche Verschiebung des Eintretens der Frühjahrsalgenblüte basierend auf Daten für 20 Seen in Deutschland. Jeweils 5 Seen liegen im Bereich der Alpen / des Alpenvorlandes und der Mittelgebirgsregion, 10 Seen im norddeutschen Tiefland. Die regionale Differenzierung ist erforderlich, um den unterschiedlichen makroklimatischen Ausgangsbedingungen und morphologischen Unterschieden der Seen in diesen Regionen gerecht zu werden.
Da nur wenige Daten aus Vor-Ort-Erhebungen zum Eintrittszeitpunkt zur Verfügung stehen, wurden dem Indikator Satellitendaten zugrunde gelegt. Diese ermöglichen eine deutlich breitere räumliche Abdeckung von Seen. Die Reflexion des Chlorophyll-a in den Algen lässt sich mit Satelliten erfassen. Die hohe zeitliche Auflösung der zur Verfügung stehenden Daten ist der entscheidende Faktor für die (rechtzeitige) Erkennung der Frühjahrsalgenblüte: Die Wiederholrate der Überflüge liegt zwischen ein und zwei Tagen. Die Bestimmung des (ersten) lokalen Maximums beruht auf validen Satellitenaufnahmen und wird durch Bewölkung, Nebel oder Eisbedeckung eingeschränkt. Die zeitlich exakte Erkennung einer Frühjahrsalgenblüte aus Satellitendaten ist also abhängig von wolkenfreien Perioden. Das kann dazu führen, dass eine Frühjahrsalgenblüte durch wetterbedingte Einflüsse nicht erfasst wird. Da das erste Maximum meist nur wenige Tage andauert, kann die Blüte so auch zwischen zwei Aufnahmezeitpunkte fallen. So kann auch die Satellitenbild-gestützte Erfassung an Grenzen stoßen. Für alle 20 Seen liegen Datenreihen mit einer räumlichen Auflösung von 300 m für die Jahre 2002–2012 und 2016–2020 vor. In den Jahren dazwischen waren keine Satelliten mit für die Erfassung geeigneten Satellitensensoren unterwegs.

Während im Mittel der ersten vier Jahren der Zeitreihe die Frühjahrsalgenblüte in Abhängigkeit von der Region zwischen Ende der 16. und Mitte der 17. Kalenderwoche, also zwischen Mitte und Ende April, eingetreten ist, kam es im Mittel der letzten vier Jahren der Zeitreihe bereits zwischen Anfang der 12. und Mitte der 14. Woche, also zwischen Ende März und Anfang April, zum ersten Maximum der Blüte. Eine statistische Trendanalyse erscheint in Anbetracht der unterbrochenen Zeitreihe nicht sinnvoll. Der Zeitreihenverlauf macht aber deutlich, dass es innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne zu einer merklichen Vorverlegung der Frühjahrsalgenblüte in allen Regionen gekommen ist. Diese Diagnose wird auch gestützt durch das frühere Eintreten der phänologischen Frühlingsphasen.
Das insgesamt außergewöhnlich warme Jahr 2018 folgte auf einen eher milden Winter, in dem es aber im Februar noch einmal richtig kalt wurde. Deutschlandweit herrschte Dauerfrost mit verbreitet zweistelligen Minusgraden. Auch im März kam es noch einmal zu einem markanten Kaltlufteinbruch. Dies ist ein wesentlicher Grund, dass die Frühjahrsalgenblüte 2018 im Vergleich zu den nachfolgenden Jahren später einsetzte: Anfang April schaltete das ⁠Wetter⁠ in ganz Deutschland innerhalb weniger Tage von Winter auf Sommer um. In der zweiten Aprilwoche kam es über die drei Regionen hinweg mit großer zeitlicher Übereinstimmung zum ersten Maximum der Frühjahralgenkonzentration.
Der Winter 2018/2019 war ein sehr milder Winter mit viel Sonnenschein, dem dann auch ein milder März und warmer April folgten. Sehr ähnlich waren die Verhältnisse im Jahr 2020: Nach dem bis dahin zweitwärmsten Winter seit Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1881 befand sich Deutschland auch im Frühjahr überwiegend im Bereich warmer Luftmassen und es war überdurchschnittlich warm. Dementsprechend früh setzte in diesen beiden Jahren auch die Frühjahrsalgenblüte ein. Die ebenso frühe Blüte im Jahre 2021 lässt sich hingegen weniger eindeutig mit den Witterungsverhältnissen erklären. Der Winter 2020/2021 war zwar ebenfalls wieder zu warm, aber das Frühjahr war kühler.

 

 

Schnittstellen

BD-I-1 Phänologische Veränderungen bei Wildpflanzenarten

 

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