Sechster Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC

Linke Kurve zeigt die globale Oberflächentemperatur rekonstruiert für die letzten 2000 Jahre und den Anstieg seit 1850. Rechte Kurven vergleichen die globale Oberflächentemperatur seit 1850 wie beobachtet und auf Basis menschlicher und natürlicher beziehungsweise nur natürlicher Faktoren simuliert.zum Vergrößern anklicken
Abb. 1: Änderung der globalen Oberflächentemperatur gegenüber der vorindustriellen Zeit

Der Einfluss des Menschen hat das Klima in einem Maße erwärmt, wie es seit mindestens 2.000 Jahren nicht mehr der Fall war. (AR6-WGI Abbildung SPM.1)

Quelle: IPCC 2021 (Deutsche Übersetzung)

Mit der Verabschiedung und Veröffentlichung des Syntheseberichtes im März 2023 endet der sechste Berichtszyklus des Weltklimarates (IPCC), in welchem der Sechste Sachstandsbericht mit den Beiträgen der drei Arbeitsgruppen sowie drei Sonderberichte erstellt wurden. Im Folgenden werden der Inhalt und die wichtigsten Aussagen aller Teilberichte zusammengefasst.

Inhaltsverzeichnis

Alle Teilberichte des Sechsten Sachstandsberichts (AR6) des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bestätigen erneut menschliche Aktivitäten als Ursache für den gegenwärtigen globalen ⁠Klimawandel⁠ sowie seine Ausmaße. Im Vergleich zum im Jahr 2014 veröffentlichten Fünften Sachstandsbericht des IPCC (AR5) sind die Beschreibungen der Ursachen, der bisherigen Veränderungen sowie die projizierten zukünftigen Entwicklungen dank des anhaltenden wissenschaftlichen Fortschrittes und neuer Erkenntnisse nun noch detaillierter, umfassender und sicherer.

Der Sechste Sachstandsberichts (AR6) besteht im Wesentlichen aus den Beiträgen seiner drei Arbeitsgruppen (WG I, WG II und WG III) und einem Synthesebericht (SYR), drei Sonderberichten (SR1.5, SRCCL, SROCC) sowie einer Verfeinerung des letzten Methodologieberichts. Der gesamte Sachstandsbericht umfasst damit ca. 10.000 Seiten.
Der Beitrag der Arbeitsgruppe I zum Sechsten Sachstandsbericht „Climate Change 2021: The Physical Science Basis“ wurde am 9. August 2021 veröffentlicht.
Der Beitrag der Arbeitsgruppe II „Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability“ wurde am 28. Februar 2022 veröffentlicht.
Der Beitrag der Arbeitsgruppe III „Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change“ wurde am 4. April 2022 veröffentlicht.
Der Synthesebericht „Climate Change 2023: Synthesis Report“ wurde am 20. März 2023 veröffentlicht, um die globale Bestandsaufnahme (engl. Global Stock Take) 2023 im Rahmen des ⁠Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC)⁠ zu informieren.

 

Zentrale Kernaussagen zur Klimaerwärmung

  • Dass der derzeitige ⁠Klimawandel⁠ menschengemacht ist, wird erstmals als eine definitive Tatsache bezeichnet. Seit der Veröffentlichung des Fünften Sachstandberichtes im Jahr 2014 hat die Geschwindigkeit vieler Änderungen im ⁠Klimasystem⁠ nochmals zugenommen. Die fortschreitende globale Erwärmung führt bereits überall auf der Welt zu gravierenden und teilweise auf Jahrhunderte bis Jahrtausende unumkehrbaren Veränderungen in der ⁠Atmosphäre⁠, dem Ozean, der Kryosphäre und der Biosphäre.
  • Die vom Menschen verursachten Emissionen an Treibhausgasen (THG) – primär Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) – haben eindeutig zu einer Erwärmung des Klimas in noch nie dagewesenem Ausmaß geführt, wobei die mittlere globale Oberflächentemperatur im Zeitraum 2011-2020 um 1,1 °C über dem Wert von 1850-1900 lag. Zudem sind die globalen Treibhausgasemissionen in den letzten zehn Jahren weiter angestiegen. Unterschiedliche THG-Emissionen pro Kopf spiegeln aber auch die Einkommensungleichheiten in den Weltregionen und zwischen Privathaushalten wider. Die reichsten 10 % der Privathaushalte, von denen sich etwa zwei Drittel in entwickelten Ländern befinden, tragen 34-45% der globalen THG-Emissionen bei.
  • Es ist technisch und ökonomisch nach wie vor möglich, die globale Erwärmung entsprechend des Übereinkommens von Paris auf 1,5 °C bis zum Jahr 2100 zu begrenzen. Dafür ist allerdings eine sofortige globale Trendwende mit tiefgreifenden Treibhausgasminderungen in allen Weltregionen und Sektoren nötig. Mit Solar- und Windenergie sind besonders kostengünstige Technologien im Energiesektor verfügbar. Sofortige und mit dem Übereinkommen von Paris kompatible Klimaschutzmaßnahmen würden auch das globale Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) nur geringfügig verringern. Dabei sind die so potenziell vermiedenen Schäden durch den Klimawandel noch gar nicht berücksichtigt, genauso wenig, wie die vermiedenen Anpassungskosten. Allerdings übersteigen schon allein die Emissionen aus bestehenden und derzeit geplanten Infrastrukturen für fossile Energie bereits das globale CO2-Budget für 1,5°C.
  • Der menschengemachte Klimawandel bewirkt seit Jahrzehnten erhebliche negative Folgen in allen Regionen. Insbesondere betroffen sind Ökosystemen, Wasser- und Energieversorgung Ernährungssicherheit, Wirtschaft und Gesundheit. Die zunehmenden klimabedingten Risiken für Ökosysteme werden durch andere menschliche Einflüsse wie Umweltverschmutzung sowie Fragmentierung, Verlust und ⁠Degradierung⁠ von Lebensräumen zusätzlich verstärkt. Die gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle tragen zur ⁠Verwundbarkeit⁠ des Menschen gegenüber dem Klimawandel bei. Die bisherigen Anpassungsbemühungen haben einige Folgen gemildert, waren jedoch nicht ausreichend, um Verluste und Schäden zu verhindern.
 

Physische Grundlagen und beobachtete Veränderungen im Klimasystem

Temperaturen

Die gegenwärtige Erwärmung des globalen ⁠Klimasystem⁠ ist größtenteils auf die menschenverursachte Freisetzung von Treibhausgasen zurückzuführen. Aufgrund dieser Emissionen ist die Treibhausgaskonzentration in der ⁠Atmosphäre⁠ auch seit 2011 weiter angestiegen. Obgleich die Landmassen und Ozeane seit 1960 relativ konstant etwa 56 % der globalen Treibhausgasemissionen aufgenommen haben, ist der atmosphärische Treibhausgasanteil bis 2019 auf einen Stand von 410 ppm bei Kohlenstoffdioxid (CO2), 1.866 ppb bei Methan (CH4) sowie 332 ppb bei Lachgas (N2O) angestiegen. Damit stellt die gegenwärtige CO2-Konzentration in der Atmosphäre einen Höchststand seit mindestens 2 Millionen Jahren dar, während die aktuellen CH4- und N2O- Werte jeweils ein Maximum seit mindestens 800.000 Jahren bedeuten. Seit Beginn der Industrialisierung übertrifft der prozentuale Anstieg der CO2- und CH4-Konzentrationen mit 47 % und 156 % bei weitem die natürlichen mehrjährigen Veränderungen zwischen Eis- und Warmzeiten während der letzten 800.000 Jahre. Selbiges gilt für den prozentualen Anstieg der Lachgas-Konzentration (23 %).

In Folge der global zunehmenden Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre war jedes der letzten vier Jahrzehnte seit 1980 aufeinanderfolgend wärmer als jedes vorherige Jahrzehnt seit 1850. In den ersten beiden Dekaden des 21. Jahrhunderts war die globale Oberflächentemperatur im Mittel um 0,99°C höher als im Zeitraum 1850-1900. Dabei war der Temperaturanstieg über Land mit 1,59 °C im Mittel größer als über dem Meer (0,88 °C). Die wahrscheinliche Spanne des gesamten vom Menschen verursachten Anstiegs der globalen Oberflächentemperatur von 1850-1900 bis 2010-2019 beträgt 0,8°C bis 1,3°C (Abbildung 1). (Quelle des Abschnitts: AR6, Teilbericht (WG) I, Summary for Policymaker (SPM) Kapitel A.1)

Niederschlag, Stürme, Gletscher und Ozeane

In Folge der Erderwärmung hat auch der Niederschlag über Land im globalen Mittel seit 1950 zugenommen. Dieser Trend hat sich insbesondere seit den 1980er Jahren intensiviert. Ein Grund ist die Tatsache, dass Luft mit steigenden Temperaturen immer mehr Wasser aufnehmen kann. Zudem wird insbesondere die Zunahme von Starkregenereignissen beobachtet. Eine weitere Folge der Erderwärmung sind höhere Wasserverluste durch ⁠Evapotranspiration⁠, die sich als Summe aus Transpiration und ⁠Evaporation⁠ ergibt, also der gesamten ⁠Verdunstung⁠ von Wasser aus der Tier- und Pflanzenwelt sowie auf unbewachsenen bzw. freien Land- oder Wasserflächen.

Besonders deutlich sind die Auswirkungen der globalen Erwärmung durch diverse ⁠Wetter⁠- und Klimaextreme in allen Regionen der Welt zu erkennen. Diesbezüglich gibt es seit dem AR5 nochmals verbesserte Belege. Insbesondere Hitzeextreme haben seit den 1950er Jahren an Häufigkeit und Intensität zugenommen, während extreme Kälteereignisse seltener und schwächer geworden sind. Ohne anthropogenen Einfluss wäre das Eintreten diverser extremer Hitzeereignisse seit 2011 äußerst unwahrscheinlich gewesen. Die Häufigkeit mariner Hitzewellen hat sich seit den 1980er Jahren etwa verdoppelt. Seit den 1980er Jahren haben sich ebenfalls die Zugbahnen von Stürmen in den mittleren Breiten beider Hemisphären in Richtung der Pole verschoben, wobei diese Tendenz teilweise durch saisonale Trends überlagert wird.

Der vom Menschen verursachte ⁠Klimawandel⁠ stellt auch die Hauptursache für den weltweiten Gletscherrückgang und das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds seit den 1990er Jahren sowie für den drastischen Rückgang der arktischen Meereisfläche und den Rückgang der Frühjahrsschneedecke auf der Nordhalbkugel dar. Im Zeitraum 2011-2020 erreichte die durchschnittliche jährliche arktische Meereisfläche den niedrigsten Stand seit mindestens 1850. Die arktische Meereisfläche im Spätsommer war zudem kleiner als jemals zuvor in den letzten 1.000 Jahren. Auch der Rückgang nahezu aller Gletscher weltweit seit den 1950er Jahren ist beispiellos für die letzten 2.000 Jahre.

Wie die Atmosphäre haben sich auch die oberen Bereiche der Ozeane (ca. 0-700 m Tiefe) seit den 1970er Jahren infolge des menschlichen Einflusses erwärmt. Die Erwärmung der Ozeane im letzten Jahrhundert ist damit einzigartig seit dem Ende der letzten Kaltzeit (vor etwa 11.000 Jahren). In Folge der Erwärmung ist auch der mittlere globale Meeresspiegel zwischen 1901 und 2018 um 20 cm gestiegen. Dabei erhöhte sich die durchschnittliche Geschwindigkeit des Anstieges zwischen 1901 und 2018 von 1,3 auf 3,7 mm pro Jahr. Der Meeresspiegel ist damit seit 1900 schneller angestiegen als in jedem vorangegangenen Jahrhundert der letzten 3.000 Jahre. Ebenso können die zunehmende ⁠Versauerung⁠ der Ozeane und das Absinken des Sauerstoffgehalts in vielen Regionen auf die anthropogenen ⁠CO2⁠-Emissionen und menschliches Einwirken zurückgeführt werden. (Quellen des Abschnitts: AR6, WG I, SPM Kapitel A.2+A.3)

 

Erwartete Veränderungen im Klimasystem als Folge der Treibhausgasemissionen

Mögliche Klimazukünfte

Um die gesamte Bandbreite der möglichen zukünftigen Veränderungen des Klimasystems zu erfassen, wurden im Rahmen des AR6, die „Gemeinsam genutzten sozioökonomischen Pfade“ (engl. Shared Socioeconomic Pathways, SSPs) mit den „Repräsentativen Konzentrationspfaden“ (engl. Representative Concentration Pathways, RCPs) kombiniert. Dabei handelt es sich um fünf unterschiedliche illustrative Szenarien möglicher sozioökonomischer globaler Veränderungen bis zum Jahr 2100, welche zur Ableitung von Szenarien für globale Treibhausgasemissionen als Folge unterschiedlicher klimapolitischer Maßnahmen verwendet werden. SSP5-8.5 und SSP3-7.0 bezeichnen Szenarien mit sehr hohen beziehungsweise hohen weltweiten ⁠Treibhausgas⁠-(THG-) Emissionen, bei denen sich die Emissionen bis zur Mitte respektive bis Ende des Jahrhunderts verdoppeln. Im mittleren ⁠Szenario⁠ (SSP2-4.5) stagnieren die CO2-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts auf dem heutigen Niveau. Lediglich im Falle der Szenarien mit niedrigen und sehr niedrigen THG-Emissionen (SSP1-2.6 und SSP1-1.9) gelingt die Reduktion auf Netto-Null kurz nach oder bis 2050 und verbleibt danach dauerhaft auf diesem Niveau. Das Ziel „Netto-Null CO2-Emissionen“ bedeutet in diesem Fall, dass alle durch die Menschen verursachten CO2-Emissionen im gleichen Zeitraum über technologische CO2-Entnahmemaßnahmen (Carbon Dioxide Removal – CDR) wieder aus der ⁠Atmosphäre⁠ entfernt werden. Die gravierenden Unterschiede der fünf wesentlichsten Einzelszenarien ergeben sich aus verschiedenen sozioökonomischen Entwicklungsszenarien und weltweiten Klimaschutzmaßnahmen sowie aus den unterschiedlichen Szenarien für den menschengemachten Gesamtstrahlungsantrieb (engl.: Radiative forcing) seit der vorindustriellen Zeit (1850–1900). Dieser bezeichnet ein Maß für die Änderung der Energiebilanz der Erde (ausgedrückt in W/m²) aufgrund einer Änderung eines externen Treibers des Klimawandels, wie z. B. einer Änderung der Konzentration von Kohlendioxid (CO2), der Konzentration von Aerosolen oder die Leistung der Sonne. Abhängig von den weltweiten THG-Emissionen fallen somit auch die projizierten Veränderungen im ⁠Klimasystem⁠ unterschiedlich gravierend aus. Die beschriebenen Emissionsszenarien sind in Abbildung 2 dargestellt. (Quelle des Abschnitts: AR6, WG I, SPM Kapitel B.1)

In jedem der dargelegten illustrativen Szenarien wird die globale Erwärmung bis zum Jahr 2040 zu einem erheblichen Anstieg von Risiken, wie verschiedenen Naturgefahren, führen. Dennoch ist das Ausmaß der zukünftigen Risiken stark vom jeweiligen Szenario abhängig. Bereits eine Erwärmung nur leicht über 1,5°C hätte im Vergleich zu Pfaden, die 1,5°C nicht überschreiten, deutlich schwerwiegendere und oftmals irreversible Folgen. Langfristig wird der fortschreitende ⁠Klimawandel⁠ globale sowie sektorübergreifende Risiken zur Folge haben, die aktuelle Risiken um ein Vielfaches übertreffen. Das tatsächliche Ausmaß der Risiken hängt neben den zugrundeliegenden klimabedingten Gefährdungen (z.B. Extremwetterereignisse) auch von gesellschaftlichen und sozioökonomischen Entwicklungen (z.B. Verteilungsfragen, Bevölkerungsentwicklung, u.a.) sowie von zukünftigen Trends hinsichtlich der ⁠Vulnerabilität⁠ (⁠Verwundbarkeit⁠) und ⁠Resilienz⁠ (Widerstands- und ⁠Anpassungsfähigkeit⁠) von Gesellschaft und Natur ab. In der nahen Zukunft hängen die klimabedingten Risiken für natürliche und vor allem menschliche Systeme sogar stärker von ihrer Verwundbarkeit und ⁠Exposition⁠ ab, als von den Unterschieden bei den Klimagefahren zwischen den Emissionsszenarien ab. Das bedeutet, dass beispielsweise die Auswirkungen eines Extremwetterereignis eine Gesellschaft umso stärker treffen werden, je stärker diese bereits durch bestehende soziale und ökonomische Krisen wie Armut, Krieg und/oder soziale Ungleichheit destabilisiert, bzw. geschwächt ist (siehe Abbildung 3).

Die Begrenzung der globalen Erwärmung auf maximal 1,5°C würde Verluste und Schäden (engl.: losses and damages) in Ökosystemen und auch menschlichen Systemen erheblich mildern. Um einen 1,5°C-Pfad (bzw. 2°C Pfad) einzuhalten, müssten die Treibhausgasemissionen vor 2025 ihr globales Maximum erreichen, und jeweils in den 2030er bzw. 2040er Jahren um mindestens 50 % absinken sowie bis spätestens 2055, respektive 2075, auf Netto-Null fallen. Die den 1,5°C- bzw. 2°C-Pfaden entsprechenden, verbleibenden CO2-Budgets nach 2019 betragen 510 (330-710) Gigatonnen (Gt) CO2 bzw. 890 (640-1160) GtCO2. Derzeit liegt die Wahrscheinlichkeit, eine Erwärmung von 1,5°C (bzw. 2°C) im Jahr 2100 nicht zu überschreiten, bei mind. 50 % (bzw. 67 %). Mit höchstens 67%iger Wahrscheinlichkeit werden die 1,5°C im Laufe des Jahrhunderts jedoch zeitweise überschritten. Die auf den nationalen Emissionszielen (NDCs) beruhenden Projektionen zu den globalen Treibhausgasemissionen im Jahr 2030 sind selbst bei vollständiger Umsetzung der angekündigten Maßnahmen mutmaßlich unzureichend, um eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C zu gewährleisten. Ohne striktere und weitreichendere Klimaschutzmaßnahmen, die deutlich über die bis Ende 2020 umgesetzten Maßnahmen hinaus gehen, werden die Treibhausgasemissionen über 2025 hinaus ansteigen und bis 2100 zu einer mittleren globalen Erwärmung von 3,2°C führen.

Die globale Oberflächentemperatur wird bei allen betrachteten Emissionsszenarien bis mindestens Mitte des Jahrhunderts weiter ansteigen. Die Schwellenwerte von 1,5°C und 2°C werden im Laufe des 21. Jahrhunderts überschritten werden, wenn eine radikale Reduktion der Treibhausgasemissionen ausbleibt. Im Vergleich zur vorindustriellen Zeit wird die globale Oberflächentemperatur im Durchschnitt der Jahre 2081-2100 sehr wahrscheinlich um 1,0°C bis 1,8°C im Szenario mit sehr niedrigen Treibhausgasemissionen (SSP1-1.9), um 2,1°C bis 3,5°C im Szenario mit mittleren Treibhausgasemissionen (SSP2-4. 5) und um 3,3°C bis 5,7°C im Szenario mit sehr hohen Treibhausgasemissionen (SSP5-8.5) angestiegen sein. Bedingt durch erhebliche regionale Schwankungen und den Einfluss des tropischen ENSO-Systems (engl.: El Niño-Southern Oscillation) kann die globale Oberflächentemperatur in jedem einzelnen Jahr über oder unter dem langfristigen, vom Menschen verursachten Trend liegen. Dabei werden sich Landoberflächen stärker erwärmen als Meeresoberflächen (um den Faktor 1,4-1,7). In einigen Regionen der mittleren Breiten, in semi-ariden (halb-trockenen) Gebieten und in der südamerikanischen Monsunregion wird die Temperatur an den heißesten Tagen voraussichtlich um das 1,5- bis 2-fache der globalen Erwärmungsrate ansteigen. Für die Arktis wird der stärkste Temperaturanstieg, bezogen auf die kältesten Tage, um den Faktor 3 projiziert. Auch die Häufigkeit von marinen Hitzewellen im Meer wird rapide zunehmen, insbesondere im tropischen Ozean und in der Arktis. (Quellen des Abschnitts: AR6, WGI, SPM Kapitel B.2 / WG II, SPM Kapitel B.2+B.3)

Veränderte Dynamiken im Klimasystem

Viele Dynamiken im Klimasystem werden sich in direktem Zusammenhang mit der zunehmenden globalen Erwärmung beschleunigen. Beispielsweise werden die Häufigkeit und die Intensität extremer Hitzeperioden, mariner Hitzewellen (über Tage bis Monate erhöhte Meerestemperatur), starker Niederschläge und, in einigen Regionen, landwirtschaftlicher und ökologischer Dürreperioden zunehmen. Weiterhin werden sich intensive tropische Wirbelstürme häufen, während das arktische Meereis, die Schneebedeckung und die Ausbreitung des Permafrostes eine rückläufige Entwicklung zeigen werden. Die globale Erwärmung führt auch zur Intensivierung des Wasserkreislaufs, einschließlich seiner Variabilität. Als Resultat ist mit einer Intensivierung der globalen Monsun-Niederschläge sowie von Regen- und Trockenperioden zu rechnen. Mit jeder noch so geringen Erwärmung verstärken sich diese Dynamiken. Der Einfluss der Erderwärmung auf besagte Dynamiken kann mithilfe der Abbildungen 4 und 5 nachvollzogen werden.

Die Treibhausgasemissionen der Vergangenheit sind auch verantwortlich für die zukünftige Erwärmung der Ozeane. Für den Rest des 21. Jahrhunderts ist eine Erwärmung der Ozeane um das 2 bis 4-fache (SSP1-2,6) beziehungsweise um das 4 bis 8-fache (SSP5-8,5) der Veränderung von 1971-2018 zu erwarten. In Abhängigkeit von den weltweiten zukünftigen THG-Emissionen werden sich auch die Tiefenschichtung (weniger Durchmischung), die ⁠Versauerung⁠ und der Sauerstoffverlust der Ozeane im 21. Jahrhundert weiter verstärken. Diese Dynamiken sind auf hundert- bis tausendjähriger Zeitskala irreversibel.

Das Auftauen der Permafrostböden wie auch der Verlust saisonaler Schneedecken, das Schmelzen des Landeises (Gebirgs- und Polargletscher) und des arktischen Meereises werden weiter zunehmen. In jedem der dargelegten Szenarien wird die Arktis bis zum Jahr 2050 wahrscheinlich mindestens einmal im September meereisfrei sein. Die Freisetzung des im tauenden ⁠Permafrost⁠ gespeicherten Kohlenstoffes als CO2 und CH4 ist auf einer Zeitskala von hunderten Jahren irreversibel und wird damit auch langfristig zur Verstärkung des Treibhauseffektes beitragen. Solch ein Phänomen wird als positive Rückkopplung, also ein sich selbst verstärkender Prozesse bezeichnet. Ein fortschreitender Eisverlust im 21. Jahrhundert ist für den grönländischen Eisschild praktisch sicher und für den antarktischen Eisschild wahrscheinlich.

Auch der Meeresspiegel wird im 21. Jahrhundert weiter ansteigen. Bis zum Jahr 2100 wird ein mittlerer globaler Meeresspiegelanstieg von 0,28 – 0,55 m im SSP1-1.9, von 0,44 – 0,76 m im SSP2-4.5 und von 0,63 – 1,01 m im SSP5-8.5 im Vergleich zum Zeitraum 1995-2014 projiziert. Längerfristig wird der Meeresspiegel aufgrund der anhaltenden Erwärmung der Tiefsee und des Abschmelzens der Eisschilde für Jahrhunderte bis Jahrtausende ansteigen und für Tausende von Jahren erhöht bleiben. Einige der beschriebenen Trends sind in Abbildung 6 visualisiert. (Quellen des Abschnitts: AR6, WGI, SPM Kapitel B.3 bis B.5)

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Aktuelle Entwicklung und Folgen der sich verändernden Klimabedingungen

Seit dem Übereinkommen von Paris sind Fortschritte in Klimapolitik, Technologie-Entwicklung, klimafreundlichen Investitionen und Lebensstiländerungen zu verzeichnen. Die weltweiten Emissionen aller Treibhausgase sind seit 2010 mit etwa 1,3% pro Jahr langsamer angestiegen als im vorherigen Jahrzehnt (2,1 % pro Jahr). Die weltweiten THG-Emissionen sind damit aber immer noch höher als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Nur die COVID-19 Pandemie hat 2020 zu einem temporären Rückgang der Emissionen von etwa 6% gegenüber 2019 geführt. Haupttreiber aller Emissionen bleiben die globalen Aktivitäten in Industrie, Energieversorgung, Verkehr, Landwirtschaft und Gebäuden und der damit einhergehende Material- und Energieverbrauch sowie das Bevölkerungswachstum. Diese übersteigen auch weiterhin die zunehmenden Klimaschutzmaßnahmen und die Einsparungen durch erhöhte Energieeffizienz. Die unterschiedlichen THG-Emissionen verschiedener Regionen und Haushalte spiegeln soziale und ökonomische Ungleichheiten wider. Die reichsten 10 % aller Haushalte, von denen sich etwa zwei Drittel in Industrieländern befinden, tragen bis zu 45 % der weltweiten THG-Emissionen bei. (Quellen des Abschnitts: AR6, WGIII, SPM Kapitel B.1 bis B.3)

Die Auswirkungen und Risiken des Klimawandels werden immer komplexer und sind damit schwieriger zu bewältigen. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass mehrere Klimagefahren gleichzeitig auftreten und mehrere klimatische und nicht klimatische Risiken zusammenwirken werden. Dies kann zu einer Erhöhung des Gesamtrisikos und zur Kaskade von Risiken in verschiedenen Sektoren und Regionen führen. Zu den nachteiligen Auswirkungen von Klimagefahren zählt auch das Auslösen von Kipppunkten in empfindlichen Ökosystemen und in sich rasch verändernden sozio-ökologischen Systemen, die beispielswiese von der Gletscherschmelze, dem Auftauen des Permafrostes und einer sich verändernden Hydrologie betroffen sind. In der Risikobewertung des Klimawandels sind jedoch auch Ereignisse relevant, die nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit eintreten, aber katastrophalen Folgen hätten. Dazu gehören z.B. große Niederschlagsänderungen, zusätzlicher starker Meeresspiegelanstieg aufgrund kollabierender Eisschilde oder abrupte Änderungen der Ozeanzirkulation. (Quelle des Abschnitts: AR6, WGII, SPM Kapitel B.5)

Verschärfte Risiken, ⁠Verwundbarkeit⁠ und ⁠Resilienz⁠ natürlicher und menschlicher Systeme

Der vom Menschen verursachte ⁠Klimawandel⁠, einschließlich häufigerer und intensiverer Extremereignisse, hat weitverbreitet negative Auswirkungen und damit verbundene Verluste und Schäden verursacht. In allen Sektoren und Regionen sind die verwundbarsten Menschen und Systeme unverhältnismäßig stark betroffen. Die Zunahme von ⁠Wetter⁠- und Klimaextremen hat zu einigen irreversiblen Auswirkungen geführt, da natürliche und menschliche Systeme über ihre ⁠Anpassungsfähigkeit⁠ hinaus belastet werden. Die rasch verlaufende gegenwärtige Erderwärmung sowie häufigere, schwerere und länger anhaltende Extremereignisse werden viele Ökosysteme einem hohen bis sehr hohen Risiko des Verlustes der biologischen Vielfalt aussetzen. Die weitere Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs gefährdet küstennahe Städte, Siedlungen und Infrastrukturen existenziell. Wenn sich der Trend zur Verstädterung in exponierten Gebieten fortsetzt, wird dies die Auswirkungen noch verschärfen und zu weiteren Herausforderungen führen. Die Zahl der Menschen, die durch den Klimawandel und den damit verbundenen Verlust an biologischer Vielfalt gefährdet sind, wird schrittweise zunehmen. (Quellen des Abschnitts: AR6, WGII, SPM Kapitel B.1 bis B.3)

Die an Häufigkeit, Intensität und Dauer zunehmenden klimawandelbedingten Extremwetterereignisse verursachen weitverbreitete und schwerwiegende Folgen für menschliche und natürliche Systeme sowie deren Leistungen. Darüber hinaus werden Folgen und Risiken zunehmend komplexer, treten verstärkt gleichzeitig auf und wirken sich als schwer vorherzusehende Verkettung von Ereignissen auf Ökosysteme und Gesellschaften aus. Die Wahrscheinlichkeit von gleichzeitig auftretenden Extremereignissen wird mit zunehmender globaler Erwärmung weiter ansteigen (Abbildung 7).

Die Risiken des Klimawandels werden bei weiterer globaler Erwärmung mittel- und langfristig rapide ansteigen, insbesondere an Orten, die bereits hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Weltweit wird die Bevölkerungsentwicklung in niedrig gelegenen Städten und Regionen dazu führen, dass mittelfristig etwa eine Milliarde Menschen durch küstenspezifische Klimagefahren, wie Überschwemmungsereignisse, betroffen sein werden. Ein weiterer Meeresspiegelanstieg von 75 cm verdoppelt und ein Anstieg von 1,4 m verdreifacht den Anteil der davon weltweit potenziell betroffenen Bevölkerung (demographische Veränderungen und Adaptionsmöglichkeiten sind nicht berücksichtigt). Der Anstieg des Meeresspiegels stellt insbesondere für kleine Inseln und niedrig gelegene Küstenregionen eine existenzielle Bedrohung dar. Die Kosten für die Instandhaltung und den Wiederaufbau der städtischen Infrastruktur, einschließlich der Bereiche Gebäude, Verkehr und Energie, werden mit steigender globaler Erwärmung zunehmen.

Der Klimawandel hat bereits erhebliche Schäden und zunehmend irreversible Biodiversitätsverluste in Land-, Süßwasser-, Küsten- und Meeresökosystemen verursacht, deren Ausmaß weit größer ist als in früheren Bewertungen geschätzt. Viele Ökosysteme sind zunehmend in ihrer Struktur und Funktion gestört. Dadurch werden deren Widerstandsfähigkeit und natürliches Anpassungspotenzial stark gehemmt. Etwa die Hälfte der weltweiten Arten ist bereits polwärts oder auch in höhere Lagen an Land gewandert. Der Verlust hunderter lokaler Arten ist auf die Zunahme von Hitzeextremen, das Massensterben an Land und im Meer sowie auch den Verlust mariner Kelpwälder zurückzuführen. Einige Verluste sind bereits unumkehrbar. Schon bei einer globalen Erwärmung von 1,5°C werden mehrere zehntausend Arten (3 bis 14%) allein in den terrestrischen Ökosystemen einem sehr hohen Aussterberisiko ausgesetzt sein. In Anbetracht der zunehmenden Aussterberaten wird bereits vom sechsten großen Massensterben gesprochen. (Quelle des Abschnitts: AR6, WGII, SPM Kapitel B.4 und B.5)

Häufigkeit und Intensitätszunahme von extremen Temperatur-, Niederschlags- und Dürreereignissen in Abhängigkeit vom Grad der Erwärmung
Abb. 7: Häufigkeit und Intensitätszunahme von Extremwetterereignissen

Projizierte Änderung von Extremen werden mit jedem weiteren Zuwachs an globaler Erwärmung häufiger und intensiver. (AR6-WGI Abbildung SPM.6)

Quelle: IPCC 2021 (Deutsche Übersetzung)
 

Risiken für menschliche Systeme

Nahrung- und Wasserverfügbarkeit, Humanitäre Krisen

Auch für Mensch und Gesellschaft stellt die globale Erwärmung eine enorme Belastung dar und verursacht irreversible Schäden. So hat die Zunahme der Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse bereits die Ernährungs- und Wassersicherheit beeinträchtigt. Der ⁠Klimawandel⁠ erschwert damit auch das Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) und hat schon in den letzten 50 Jahren die Zunahme der landwirtschaftlichen Produktivität weltweit gebremst. Die Erwärmung der Ozeane hat sich in einigen Regionen bereits negativ auf die Nahrungsmittelproduktion der Fischerei ausgewirkt. Die zunehmenden ⁠Wetter⁠- und Klimaextreme haben Millionen von Menschen einer akuten Ernährungsunsicherheit ausgesetzt und die Wasserversorgung beeinträchtigt. Die größten Auswirkungen sind dabei in Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika, auf kleinen Inseln und in der Arktis zu beobachten. Der plötzliche Verlust in der Nahrungsmittelproduktion und der erschwerte Zugang zu Nahrungsmitteln haben in vielen Gemeinschaften die Unterernährung verschärft. Insbesondere indigene Völker, kleine Lebensmittelproduzenten und Haushalte mit niedrigem Einkommen sind betroffen, davon insbesondere Kinder, ältere Menschen und schwangere Frauen. Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung leidet schon jetzt während eines Teils des Jahres unter schwerem Wassermangel. Die Risiken in Bezug auf die physische Wasserverfügbarkeit und wasserbezogene Gefahren werden mittel- bis langfristig in allen Weltregionen weiter zunehmen.

Auch zukünftig wird der Klimawandel zunehmend Druck auf die Nahrungsmittelproduktion und den Zugang zu Nahrungsmitteln ausüben. Wenn keine oder nur geringe Anpassungsmaßnahmen erfolgen, werden sich vor allem in Afrika südlich der Sahara, Südasien, Mittel- und Südamerika und auf kleinen Inseln die Risiken für die Ernährungssicherheit zwischen 1,5°C und 2°C globaler Erwärmung deutlich erhöhen. Damit werden Unterernährung und Mikro-Nährstoffmangel weiter drastisch zunehmen. Im Falle einer Erwärmung um 2°C wäre der Anbau von Grundnahrungsmitteln in weiten Teilen der zuvor genannten Erdteile nach 2040 nur noch schwer möglich, während insbesondere auf zahlreichen kleinen Inseln, tiefgelegenen Küstengebieten sowie in Bergregionen die Wasserversorgung stark gefährdet sein wird.

Der Klimawandel trägt damit insbesondere auch zu humanitären Krisen, vor allem im globalen Süden, bei. ⁠Klima⁠- und Wetterextreme führen bereits in allen Weltregionen zu Vertreibungen und unfreiwilliger Migration, wobei besonders kleine Inselstaaten betroffen sind. Überschwemmungs- und dürrebedingte akute Ernährungsunsicherheit und Unterernährung haben in Afrika sowie Mittel- und Südamerika deutlich zugenommen. Im Zeitraum 2010-2020 war die durch Überschwemmungen, Dürren und Stürme bedingte Mortalität (Sterblichkeit) in stark gefährdeten Regionen 15-mal höher als in Regionen mit sehr geringer Gefährdung. ⁠Klimafolgen⁠ und -risiken verschärfen die ⁠Verwundbarkeit⁠ sowie die soziale und wirtschaftliche Ungleichverteilungen und verstärken folglich anhaltende und akute Entwicklungsherausforderungen. Dies ist insbesondere in Entwicklungsregionen sowie in besonders exponierten Gebieten wie Küsten, kleinen Inseln, Wüsten, Bergen und Polarregionen von Bedeutung. Die gegenwärtigen Marginalisierungen und Abhängigkeiten, die zu einer hohen Anfälligkeit gegenüber Extremereignissen führen, werden durch historische und andauernde Muster der Ungleichheit wie den Kolonialismus beeinflusst, insbesondere bei indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften. Bei fortschreitender Erwärmung würde es zu einer unfreiwilligen Migration insbesondere aus Regionen mit hoher Gefährdung und geringer ⁠Anpassungsfähigkeit⁠ kommen. (Quellen des Abschnitts: AR6, WGII, SPM Kapitel B.1 bis B.5 und D.1)

Gesundheit

Die steigenden Temperaturen stellen auch ein direktes Risiko für die menschliche Gesundheit dar. In allen Regionen haben extreme Hitzeereignisse zur Zunahme menschlicher Mortalität und Morbidität (Zahl der Sterbe- und Krankheitsfälle im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung) geführt. Weltweit wird die ⁠Exposition⁠ der Bevölkerung gegenüber Hitzewellen mit zunehmender Erwärmung weiter zunehmen, wobei es ohne zusätzliche Anpassungen starke geografische Unterschiede bei der hitzebedingten Sterblichkeit geben wird. Weiterhin hat das Auftreten und die Ausbreitung von klimabedingten, durch Lebensmittel und Wasser übertragenen Krankheiten zugenommen. Insbesondere Infektionskrankheiten treten vermehrt und in neuen Gebieten auf. Der Klimawandel wird kurz- bis langfristig zur erheblichen Zunahme von Krankheiten und vorzeitigen Todesfällen führen. Die Risiken für durch Lebensmittel, Wasser und Vektoren (Krankheitserreger übertragende Organismen, wie etwa Stechmücken) übertragene Krankheiten nehmen ohne zusätzliche Anpassungen in allen Szenarien zu. Zudem ist auch mit neuen Herausforderungen für die psychische Gesundheit auf Grund steigender Temperaturen sowie Wetter- und Klimaextreme als auch des Verlustes der Lebensgrundlagen und Kultur zu rechnen.

In urbanen Räumen beeinflusst der beobachtete Klimawandel bereits jetzt die Gesundheit, die Lebensgrundlagen und wichtige Infrastrukturen von ca. 4,3 Milliarden Stadtbewohner*innen. Extreme Hitzeperioden und -wellen haben auch in Städten zugenommen, was auch zu erhöhter Luftverschmutzung führt, und die Funktion wichtiger Infrastruktur einschränkt. (Quelle des Abschnitts: AR6, WGII, SPM Kapitel B.5)

Ökonomische Auswirkungen

Wirtschaftliche Schäden werden primär in klimatisch exponierten Sektoren wie Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Energiesektor, Tourismus sowie als Folge reduzierter Arbeitsproduktivität im Freien sichtbar. Einige extreme Wetterereignisse, wie tropische Wirbelstürme, haben allerdings das Wirtschaftswachstum nur kurzfristig verringert und die geschätzten globalen Nettowirtschaftsschäden steigen im Allgemeinen nicht linear mit dem Grad der Erderwärmung. Aber es bestehen Unsicherheiten vor allem durch die große Bandbreite der Schätzungen und die mangelnde Vergleichbarkeit der Methoden. Die im Vergleich zum AR5 im Mittel höheren Schätzungen der Nettowirtschaftsschäden im AR6 deuten allerdings auf gravierendere globale wirtschaftliche Gesamtauswirkungen hin als bislang angenommen. Jedoch wird mit erheblichen regionalen Unterschieden in den gesamtwirtschaftlichen klimawandelbedingten Schäden gerechnet. Wobei die geschätzten wirtschaftlichen Schäden pro Kopf in den Entwicklungsländern das mittlere nationale Pro-Kopf-Einkommen oftmals deutlich übersteigt. (Quelle des Abschnitts: AR6, WGII, SPM Kapitel B.1)

Überschreiten der Temperaturziele

Schon im Falle einer globalen Erwärmung über 1,5 °C werden viele menschliche und natürliche Systeme mit zusätzlichen schwerwiegenden Risiken konfrontiert sein. Je nach Ausmaß und Dauer der Überschreitung des Temperaturziels werden einige Folgen und Auswirkungen unumkehrbar sind. Jedoch sind die modellgestützten Bewertungen möglicher Auswirkungen begrenzt. Aktuelle Beobachtungen und das derzeitige Prozessverständnis ermöglichen jedoch eine Bewertung der Auswirkungen im Falle der Überschreitung des 1,5°C-Schwellenwertes. Das Risiko schwerwiegender Auswirkungen steigt mit jedem weiteren Anstieg der globalen Erwärmung. (Quelle des Abschnitts: AR6, WGII, SPM Kapitel B.6)

 

Optionen und Strategien zur Minderung des Klimawandels und Anpassung an die sich verändernden klimatischen Bedingungen

In allen Sektoren und Regionen sind Fortschritte bei der Anpassungsplanung und -umsetzung zu beobachten. Das wachsende öffentliche und politische Bewusstsein für Klimarisiken hat dazu geführt, dass mindestens 170 Länder und viele Städte Strategien zur Anpassung und Minderung in ihre Klimapolitik und Planungsprozesse aufgenommen haben. Allerdings sind die Anpassungsfortschritte ungleichmäßig verteilt sowie lückenhaft. Bei vielen Initiativen liegt der Schwerpunkt auf der unmittelbaren und kurzfristigen Verringerung eines spezifischen Klimarisikos, was die Möglichkeiten für eine transformative Anpassung einschränkt. Daraus ergibt sich eine Umsetzungslücke zwischen dem derzeitigen Anpassungsniveau und dem zur effektiven Reduktion von Klimarisiken erforderlichen Niveau. Ein Großteil der gegenwärtigen Anpassungsmaßnahmen sind allerdings stark fragmentiert, das heißt, an Stelle großer und umfangreicher Maßnahmen werde viele kleine Vorhaben, von geringem Umfang und eher sektorspezifisch durchgeführt. Diese geschehen auch häufig als Reaktion auf aktuelle Klimaauswirkungen oder kurzfristige Risiken und konzentrieren sich zumeist nur auf die Planung und weniger auf die Umsetzung. Die größten Anpassungslücken bestehen in den unteren Einkommensschichten der Gesellschaft. Beim derzeitigen Tempo der Anpassungsplanung und -umsetzung wird auch dieses Missverhältnis weiter anwachsen. Anpassungs- und Minderungsoptionen sind häufig durch lange Umsetzungsperioden gekennzeichnet. Daher ist nicht nur eine langfristige Planung, sondern auch eine rasche Umsetzung noch in diesem Jahrzehnt wichtig, um die Lücken zu schließen. Zumal die bis zur Weltklimakonferenz COP26 im Jahr 2021 beschlossenen Minderungsmaßnahmen unzureichend sind, um die globale Erwärmung unter dem Schwellenwert von 1,5 °C zu halten (siehe Abbildung 8). (Quelle des Abschnitts: AR, WGII, SPM Kapitel C.1)

Anpassungsstrategien

Seit dem AR5 wurde die Zahl der politischen Maßnahmen und Gesetze, die sich mit der Treibhausgasminderung befassen, kontinuierlich erhöht. Dies hat zur Vermeidung von Emissionen geführt, die andernfalls entstanden wären und auch zu verstärkten Investitionen in treibhausgasarme Technologien und Infrastruktur. Die Anpassung der Finanzströme an die Ziele des Übereinkommens von Paris vollzieht sich allerdings nur sehr langsam und ist zudem ungleichmäßig auf Regionen und Sektoren verteilt. Die internationale Zusammenarbeit ist aber ein entscheidender Faktor für die Verwirklichung ehrgeiziger Ziele zur Eindämmung des Klimawandels. Das ⁠Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC)⁠, das Kyoto-Protokoll und das Übereinkommen von Paris unterstützen die nationalen Ambitionen und fördern die Entwicklung und Umsetzung von Klimapolitiken. Es entstehen Partnerschaften, Vereinbarungen, Institutionen und Initiativen, die auf subglobaler und sektoraler Ebene tätig sind und mehrere Akteure einbeziehen.

Ein Großteil aller dokumentierten Anpassungsmaßnahmen macht die Anpassungen an wasserbezogene Risiken aus. Bei Überschwemmungen im Binnenland hat die Kombination aus nicht-strukturellen Maßnahmen wie Frühwarnsystemen und strukturellen Maßnahmen wie Deiche bereits deutlich zur Vermeidung menschlicher Verluste beigetragen. Die Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltes, die Flächennutzungsplanung oder die Bewirtschaftung flussaufwärts gelegener Wälder können das Hochwasserrisiko weiter verringern. Ein nachhaltiges Wassermanagement auch von Seiten der Verbrauchenden, die damit einhergehende Wasserspeicherung sowie die Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit und eine effiziente Bewässerung reduzieren die lokale ⁠Vulnerabilität⁠ und gehören zu den häufigsten Anpassungsmaßnahmen. Eine nachhaltige Bewässerung ist in vielen Regionen ein wirksames Mittel zur Verringerung des Dürrerisikos und der Klimaauswirkungen, erfordert jedoch ein angemessenes Management, um mögliche negative Folgen wie den zunehmenden Verlust des Grundwassers sowie die zunehmende Versalzung des Bodens zu vermeiden. Die Wirksamkeit der meisten wasserbezogenen Anpassungsoptionen zur Verringerung klimabezogener Risiken nimmt allerdings mit zunehmender Erwärmung ab. (Quelle des Abschnitts: AR6, WGII, SPM Kapitel C.2)

Minderungsstrategien

Mehr als die Hälfte der globalen CO2-Emissionen werden derzeit von den Meeren und anderen Senken an Land, wie Böden und Pflanzen, aufgenommen. Bei hohen atmosphärischen CO2-Konzentrationen nimmt allerdings die relative Aufnahmefähigkeit der natürlichen Senken ab. Die Wirkungsweise der natürlichen Senken hat damit auch Einfluss auf die Effizienz von Maßnahmen zur Entnahme von CO2 aus der ⁠Atmosphäre⁠. Unter den sehr niedrigen und niedrigen THG-Emissionsszenarien (SSP1-2.6 und SSP1-1.9), in denen die CO2-Konzentrationen im 21. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichen und sinken, nehmen Land und Ozean als Reaktion auf sinkende atmosphärische ⁠CO2⁠-Konzentrationen weniger Kohlenstoff auf und werden unter SSP1-1.9 bis 2100 sogar zu einer schwachen Nettoquelle. Aufgrund dieser Asymmetrien im ⁠Kohlenstoffkreislauf⁠ bei wechselnden CO2- und Temperaturbedingungen, müsste mehr CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden als ursprünglich emittiert, um die gleiche Veränderung der atmosphärischen CO2-Konzentration zu erreichen. (Quelle des Abschnitts: AR6, WGI, SPM Kapitel B.4)

Ein besserer Schutz und ein besseres Management von Ökosystemen, verbunden mit der ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠, können die Risiken der globalen Erwärmung für die biologische Vielfalt und für uns Menschen in allen Regionen verringern. Um die klimawandelmindernde Wirkung verschiedener Ökosysteme weltweit zu bewahren sind strikte Restriktionen zu deren Schutz notwendig. So müssten mindestens 30-50 % der Erdoberfläche wirksam geschützt werden. Entsprechende Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen sollten vermehrt in der Lage sein, auf aktuelle Veränderungen verschiedener Ebenen reagieren zu können sowie auch künftige Veränderungen der Ökosystemstruktur, der Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften und der Verteilung von Arten einkalkulieren. (Quelle des Abschnitts: AR6, WGII, SPM Kapitel D.4)

Die Eindämmung der globalen Erwärmung erfordert weltweit die Begrenzung der kumulativen CO2-Emissionen auf mindestens Netto-Null. Netto-Null bedeutet, dass alle durch den Menschen verursachten THG-Emissionen durch Reduktionsmassnahmen wieder aus der Atmosphäre entfernt werden müssen und somit die Klimabilanz der Erde netto, also nach den Abzügen durch natürliche und künstliche Senken, Null beträgt. Komplementär ist auch eine starke Verringerung der Emissionen anderer Treibhausgase notwendig, was auch zur Verbesserung der Luftqualität beitragen würde. Um die Erwärmung auf weniger als 1,5 °C bzw. 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken, sind einschneidende Treibhausgasemissionsminderungen in allen Sektoren und Regionen notwendig. (Quellen des Abschnitts: AR6, WGI, SPM Kapitel D.1+D2)

Die modellierten Emissionspfade, in denen es gelingt, die Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, machen deutlich, dass die globalen CO2-Emissionen in den frühen 2050er Jahren bei Netto-Null liegen müssen. Um die Erwärmung noch auf 2°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, sollten die globalen Netto-Null-CO2-Emissionen spätestens in den frühen 2070er Jahren erreicht werden. Viele dieser Pfade beinhalten neben starken Verringerungen der THG-Emissionen auch negative CO2-Emissionen. In dem Fall bedeutet Netto-Null, dass alle durch den Menschen verursachten THG-Emissionen durch Reduktionsmaßnahmen wieder aus der Atmosphäre entfernt werden müssen und somit die Klimabilanz der Erde netto, also nach den Abzügen durch natürliche und künstliche Senken, Null beträgt. Das Ausmaß der maximalen Erwärmung hängt somit von den kumulativen THG-Emissionen bis zum Erreichen des Netto-Nullpunktes ab. (Quellen des Abschnittes: AR6, WGI, SPM Kapitel D.2 / AR6, WGIII, Kapitel C3)

Entscheidend ist die Transformation des Energiesystems, das Beenden von Subventionen für fossile Brennstoffe, Emissionsreduktionen im Industrie- und Gebäudesektor (u.a. durch kompaktere Bebauung und die Schaffung städtischer CO2-Senken durch Grün- und Wasserflächen), der Ausbau der Niedrigemissionstechnologie im Verkehrssektor und nachfrageseitige Minderungsoptionen im Land- und Forstsektor. Nachfrageseitige Lösungsansätze allein im Verkehrs- und Gebäudesektor sowie im Ernährungssystem könnten 40-70 % zur Emissionsreduzierung bis 2050 beitragen (Abbildung 9). Diese sind außerdem mit der Verbesserung des grundlegenden Wohlergehens für alle Menschen vereinbar z.B. durch gesündere Ernährung mit weniger tierischen Produkten. ⁠Klimaschutz⁠ geht idealerweise auch Hand in Hand mit der Anpassung an den Klimawandel. Beispielsweise steigert die Ausweitung von Grün- und Wasserflächen in Großstädten die Lebensqualität zusätzlich, indem der städtische Wärmeinseleffekt reduziert wird und ein nachhaltiger Waldumbau kann Schäden durch Extremereignisse wie Stürme oder Hitzeperioden verringern. (Quellen des Abschnittes: AR6, WGIII, SPM Kapitel C.3 bis C.6)

Technische Beiträge zu Anpassung und Minderung

In sämtlichen modellierten 1,5°C- und 2°C- Emissionspfaden wird die Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre (engl.: Carbon Dioxide Removal, CDR) und, teilweise in beträchtlichen Umfang, auch Maßnahmen zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (engl.: Carbon Capture and Storage, CCS) vorausgesetzt, um verzögerte Minderungsanstrengungen und nicht-vermeidbare Emissionen zu kompensieren sowie die Atmosphäre nach einem Überschreiten der Temperaturziele (engl.: Overshoot) wieder abzukühlen. CDR-Optionen unterscheiden sich methodisch (d.h.: biologisch und (geo-)chemisch), bezüglich ihrer technologischen Reife, der CO2-Speicherungsdauer sowie ihrer Potenziale, Kosten, Risiken, politischen Steuerung und institutionellen Rahmenbedingungen. Insgesamt gilt, je umfangreicher und früher die Emissionsminderungen, desto geringer der Temperatur-Overshoot und desto kleiner der Bedarf an CDR. CDR-Methoden können potenziell weitreichende Auswirkungen auf die biogeochemischen Kreisläufe und das ⁠Klima⁠ haben, mit dem Potenzial, die globale Erwärmung abzuschwächen aber auch zu verstärken sowie die biologische Vielfalt und Ökosysteme zu schädigen. Die Einführung von CDR und CCS in großem Maßstab stößt jedoch auf erhebliche Machbarkeits- und Nachhaltigkeitsprobleme und ist in absehbarer Zukunft äußerst kostenintensiv. Die einzigen weit verbreiteten CDR-Optionen bestehen derzeit in der Stärkung natürlicher Senken, zum Beispiel durch Wiederaufforstung, Agroforstwirtschaft und verbesserte Waldbewirtschaftung oder im Moorschutz. Die Höhe negativer Emissionen, und damit unsere Abhängigkeit von unsicheren oder wenig nachhaltigen CDR-Optionen, variiert in den Modellrechnungen des ⁠IPCC⁠ jedoch stark.

Die Kosten emissionsarmer Technologien, wie Windkraft und Photovoltaik, sind seit 2010 kontinuierlich gesunken. Insbesondere innovationspolitische Maßnahmenpakete haben diese Kostensenkungen ermöglicht und deren weltweite Verbreitung gefördert. Im globalen Süden haben sich die Innovationen aufgrund der schwächeren Rahmenbedingungen jedoch verzögert. In vielen Ländern haben aber die politischen Maßnahmen die Energieeffizienz verbessert, die Abholzungsraten verringert und die Einführung von Technologien beschleunigt, was zu vermiedenen und in einigen Fällen zu reduzierten oder beseitigten Emissionen geführt hat. Vieles deutet darauf hin, dass durch politische Minderungsmaßnahmen bereits weltweit Emissionen in Höhe von mehreren Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr vermieden wurden. Für eine nachhaltige Entwicklung sind beschleunigte und gerechte Klimaschutzmaßnahmen zur Abschwächung des Klimawandels und zur Anpassung an dessen Auswirkungen von entscheidender Bedeutung. (Quellen des Abschnittes: AR6, WGIII, SPM Kapitel C.3+C4+C11)

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Nachhaltige Entwicklung, Klimaresilienz und Anpassungsgrenzen

Begrenzte wirtschaftliche, soziale und institutionelle Ressourcen führen häufig zu einer hohen ⁠Vulnerabilität⁠ sowie zu geringen Anpassungs- und Minderungsfähigkeiten, insbesondere im globalen Süden. Ökosysteme können allerdings in Abhängigkeit der Umsetzung von Minderungsmaßnahmen auch nachteilig beeinflusst werden. Eine koordinierte sektorübergreifende Politik und Planung kann daher Synergien maximieren und Kompromisse zwischen Minderung und Anpassung vermeiden oder reduzieren. Beispielswiese kann eine nachhaltige Stadtplanung und Infrastrukturgestaltung sowohl zur Minderung als auch zur Anpassung in städtischen Räumen und Siedlungen beitragen. Umfassende Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung werden auch Auswirkungen auf die Verteilung innerhalb und zwischen den Ländern haben. Die Beachtung von Gerechtigkeitsaspekten sowie eine breite und sinnvolle Beteiligung aller relevanten Akteure an der Entscheidungsfindung auf allen Ebenen können soziales Vertrauen schaffen und die Unterstützung für transformative Veränderungen vertiefen und ausweiten. (Quellen des Abschnittes: AR6, WGII, SPM Kapitel C.1+C.2 / AR6, WGIII, SPM Kapitel D)

Minderungsmaßnahmen, die schon 100 US-Dollar je Tonne CO2-Äquivalente pro Jahr oder sogar weniger kosten, könnten die globalen THG-Emissionen bis 2030 um mindestens die Hälfte des Niveaus von 2019 reduzieren. Das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst dabei in den entsprechenden modellierten Pfaden weiter. Dabei fallen insbesondere der wirtschaftliche Nutzen von Minderungsmaßnahmen auf Grund vermiedener Klimawandelschäden oder die damit verringerten Anpassungskosten ins Gewicht. Ohne Minderungsmaßnahmen, die über die derzeitigen Maßnahmen hinausgehen, fällt das globale BIP bis zum Jahr 2050 um einige Prozente. Der globale wirtschaftliche Nutzen einer Erwärmungsbegrenzung auf 2°C über dem vorindustriellen Niveau ist deutlich höher als die Kosten von entsprechenden Minderungsmaßnahmen. Allerdings sind die Investitionen aus öffentlicher und privater Hand in fossile Energien immer noch höher als die Investitionen in ⁠Klimaschutz⁠ und Anpassung. Für eine Begrenzung auf 2 °C Erwärmung wäre der Investitionsbedarf im Mittel für die Dekade von 2020-2030 drei- bis sechsmal höher als die derzeitigen Klimaschutzinvestitionen. Insbesondere die Steigerung der finanziellen Unterstützung für Entwicklungsländer und andere gefährdete einkommensschwache Regionen ist ein entscheidender Faktor für die Stärkung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen. (Quelle des Abschnittes: AR6, WGIII, SPM Kapitel C.12)

Energie

Zur Reduktion der THG-Emissionen im gesamten Energiesektor sind große Veränderungen erforderlich, einschließlich einer erheblichen Verringerung des Gesamtverbrauchs an fossilen Brennstoffen, des Einsatzes emissionsarmer Energiequellen, der Umstellung auf alternative Energieträger sowie der Energieeffizienz und Energiesuffizienz. CDR wird benötigt, um die Restemissionen im Energiesektor auszugleichen. Kostensenkungen bei den Schlüsseltechnologien, insbesondere bei der Windkraft, der Solarenergie und der Speicherung, haben die wirtschaftliche Attraktivität der Überleitung zu einem emissionsarmen Energiesektor bis 2030 erhöht. Von 2010 bis 2019 sind die Kosten für Solarenergie, Windenergie und Lithium-Ionen-Batterien nachhaltig gesunken, und ihr Einsatz hat stark zugenommen. Elektrizitätssysteme die primär aus erneuerbaren Energien gespeiste werden sind zunehmend rentabel. Eine ganzheitliche Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen stellt jedoch immer noch die größte Herausforderung dar. (Quelle des Abschnittes: AR6, WGIII, SPM Kapitel C.4)

Industrie

Fortschritte auf dem Weg zu Netto-Null-THG-Emissionen in der Industrie werden durch die Einführung neuer Produktionsverfahren ermöglicht, die treibhausgasarme Elektrizität, Wasserstoff und ein angepasstes Kohlenstoffmanagement nutzen. Die Verwendung von Stahl, Zement, Kunststoffen und anderen Industriematerialien nimmt weltweit zu. Die Potenziale nachhaltiger Optionen der Nachfragesteuerung werden jedoch bislang nur unzureichend ausgeschöpft. Für fast alle Grundstoffe, wie Primärmetalle, Baumaterialien und Chemikalien, befinden sich treibhausgasreduzierte Produktionsverfahren in der Entwicklung, haben sich aber in der industriellen Praxis noch nicht etablierte. Bis zur Einführung neuer nachhaltigerer Produktionsverfahren für emissionsintensive Grundstoffe wie Zement muss auf Substitutionsmöglichkeiten (Ersatzgüter) zur Emissionsvermeidung gesetzt werden. (Quelle des Abschnittes: AR6, WGIII, SPM Kapitel C.5)

Verkehr

Nachfrageseitige Optionen und neue Technologien mit niedrigen THG-Emissionen können die Emissionen des Verkehrssektors in den Industrieländern verringern und den Emissionsanstieg in den Entwicklungsländern begrenzen. Elektrofahrzeuge bieten auf Basis ihres Lebenszyklus das größte Dekarbonisierungspotenzial für den Verkehr an Land. Nachhaltige Biokraftstoffe, emissionsarmer Wasserstoff und Derivate können zur Verringerung der CO2-Emissionen von Schifffahrt, Luftfahrt und Schwerlastverkehr beitragen, erfordern jedoch Verbesserungen in ihrer Effizienz sowie der Produktionsprozesse und entsprechende Kostensenkungen. Viele Minderungsstrategien im Verkehrssektor hätten zudem positive Nebeneffekte, wie die Verbesserungen der Luftqualität und gesundheitliche Vorteile. In Szenarien, die die Erwärmung auf 1,5°C beschränken, sinken die globalen verkehrsbedingten CO2-Emissionen bis 2050 um 59 % im Vergleich zu 2020. In globalen Modellszenarien, die die Erwärmung auf 2°C begrenzen, werden die verkehrsbedingten CO2-Emissionen bis 2050 voraussichtlich um 29 % gegenüber den modellierten Emissionen von 2020 zurückgehen. In beiden Fällen wird der Verkehrssektor bis 2100 wahrscheinlich nicht Null-CO2-Emissionen erreichen, sodass wahrscheinlich Maßnahmen für negative Emissionen erforderlich sein werden. (Quelle des Abschnittes: AR6, WGIII, SPM Kapitel C.8)

Städtische Räume, Siedlungen und Gebäude

Weltweit fließen mehr Mittel in die physische Infrastruktur als in die natürliche und soziale Infrastruktur. Zudem gibt es nur sehr wenige Investitionen in informellen Siedlungen (Marginalsiedlungen), in denen jedoch die am meisten gefährdeten Stadtbewohner leben. Jedoch setzt sich eine wachsende Anzahl von Städten weltweit engagierte Klimaziele, darunter auch Städte, die Netto-Null-THG-Emissionen anstreben. Vor allem städtische Räume können Möglichkeiten zur Steigerung der Ressourceneffizienz schaffen und zur erheblichen Verringerung der Treibhausgasemissionen beitragen. Ehrgeizige Minderungsbemühungen für etablierte, schnell wachsende und aufstrebende Städte umfassen

  1. die Reduzierung oder Änderung des Energie- und Materialverbrauchs,
  2. die Elektrifizierung und
  3. die Verbesserung der Kohlenstoffaufnahme und -speicherung in der städtischen Umwelt.

Städte können Netto-Null-Emissionen erreichen, aber nur, wenn die Emissionen durch Lieferketten innerhalb und außerhalb ihrer Verwaltungsgrenzen reduziert werden. Dies würde ebenso positive Kaskadeneffekte in anderen Sektoren nach sich ziehen. (Quelle des Abschnittes: AR6, WGIII, SPM Kapitel C.6+C.7)

Gesundheit

Für den Schutz und die Förderung der menschlichen Gesundheit und das Wohlbefinden ist auch die Stärkung der Klimaresilienz von Gesundheitssystemen notwendig. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für gezielte Investitionen und Finanzierungen zum Schutz vor gesundheitlichen Klimagefahren. Gesundheit und Wohlbefinden würden von integrierten Anpassungsansätzen insbesondere in den Bereichen Ernährung, Lebensunterhalt, Sozialschutz, Infrastruktur, Wasser und Abwasserentsorgung profitieren. Gesundheitsaktionspläne für extreme Hitze, die unter anderem Frühwarn- und Reaktionssysteme umfassen, sind wirksame Anpassungsoptionen. Wirksame Anpassungsoptionen für wasser- und nahrungsmittelbedingte Krankheiten sind die Verbesserung des Zugangs zu Trinkwasser sowie der Schutz von Wasser- und Abwassersystemen vor Überschwemmung und Extremwetterereignissen geschützte Wasser- und Abwassersysteme, als auch verbesserte Frühwarnsysteme. (Quelle des Abschnittes: AR6, WGII, SPM Kapitel D.3+D.4)

Soziale Gerechtigkeit

Ehrgeizige Minderungspfade implizieren große und manchmal disruptive Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur mit erheblichen Verteilungskonsequenzen innerhalb und zwischen den Ländern. Gerechtigkeit ist nach wie vor ein zentrales Element des ⁠UN⁠-Klimaregimes, obgleich sich die Divergenzen zwischen den Staaten im Laufe der Zeit verschoben haben und es schwierig ist, gerechte Anteile zu ermitteln. Zu den Verteilungskonsequenzen innerhalb und zwischen den Ländern gehört während des Übergangs von emissionsintensiven zu emissionsarmen Aktivitäten die Verlagerung von Einkommen und Beschäftigung. Ungleichheiten bei der Verteilung von Emissionen und bei den Auswirkungen von Minderungsmaßnahmen innerhalb von Ländern beeinträchtigen den sozialen Zusammenhalt und die Akzeptanz von Minderungs- und anderen Umweltmaßnahmen. Ein breiterer und gerechterer Zugang zu nationalen und internationalen Finanzmitteln kann zu einer gerechteren und internationalen Klimapolitik beitragen. Dies kann auch als Katalysator für eine Beschleunigung des Klimaschutzes dienen. Die Berücksichtigung von Ethik und Gerechtigkeit kann dazu beitragen, die ungleichen Folgen der globalen Erwärmung in allen Gesellschaften anzugehen und die Umstellung der Entwicklungspfade auf ⁠Nachhaltigkeit⁠ zu erleichtern. (Quelle des Abschnittes: AR6, WGII, SPM Kapitel D)

Grenzen der Anpassung

Die Grenzen der Anpassung des Menschen an den ⁠Klimawandel⁠ sowie auch einiger Ökosysteme sind teilweise bereits erreicht. Mit zunehmender globaler Erwärmung werden Verluste und Schäden zunehmen. Weitere menschliche und natürliche Systeme werden auch in Zukunft an die Grenzen ihrer Anpassungsmöglichkeiten stoßen. Selbst bei wirksamer Anpassung und vor dem Erreichen weicher und harter Grenzen, lassen sich nur durch Anpassung nicht alle Verluste und Schäden verhindern. Die Durchführbarkeit von Anpassungs- und Minderungsstrategien variiert sektoral. Hindernisse müssten abgebaut oder beseitigt werden. Zu diesen Hindernissen gehören geophysikalische, umweltökologische, technologische, wirtschaftliche und insbesondere institutionelle und soziokulturelle Faktoren.

Seit dem AR5 gibt es in vielen Sektoren und Regionen vermehrt Hinweise auf Fehlanpassungen. Fehlanpassungen an den Klimawandel können zu erhöhter Vulnerabilität und neuerlichen Risiken führen. Fehlanpassungen geschehen insbesondere wenn Maßnahmen nur auf individuelle Risiken fokussieren und damit langfristige Perspektiven nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die biologische Vielfalt und die Widerstandsfähigkeit von Ökosysteme werden durch Fehlanpassungen verringert, was zudem auch die ⁠Ökosystemleistungen⁠ beschränkt. Solche unangepassten Maßnahmen in Ökosysteme sind beispielsweise die Unterdrückung von Bränden oder harte Schutzmaßnahmen gegen Überschwemmungen, wie die Kanalisierung eines Flusses. Diese Maßnahmen verringern den Raum für natürliche Prozesse und reduzieren damit die allgemeine Widerstandskraft natürlicher Systeme. Fehlanpassungen wirken sich besonders auf marginalisierte und gefährdete Gruppierungen und Gemeinschaften, wie indigene Völker, ethnische Minderheiten, Haushalte mit niedrigem Einkommen und informelle Siedlungen, nachteilig aus. Damit werden zudem bestehende Ungleichheiten und Abhängigkeiten verstärkt. Fehlanpassungen können durch flexible, sektorübergreifende, integrative und langfristige Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen vermieden werden. In Abbildung 3 ist die notwendige Transformation hin zu einer klimaresilienten Entwicklung modellhaft dargestellt. (Quelle des Abschnittes: AR6, WGII, SPM Kapitel C.3)