FAQ: Antibiotika und Antibiotikaresistenzen in der Umwelt

Die Umwelt ist Reservoir und Überträger antibiotikaresistenter Bakterien. zum Vergrößern anklicken
Die Umwelt ist Reservoir und Überträger für Antibiotikaresistenzen.
Quelle: UBA

Durch behandelte Abwässer, Mischwasserüberläufe, Klärschlämme oder Gülle können Antibiotika nach der Anwendung in die Umwelt gelangen und dort Organismen schädigen sowie Resistenzen fördern. Bislang wurden 64 unterschiedliche Antibiotika in Deutschland in der Umwelt nachgewiesen. Die Umwelt ist heute Reservoir und Überträger für Antibiotikaresistenzen.

Inhaltsverzeichnis

Antibiotika gehören zu den wichtigsten Errungenschaften der Medizin, ohne sie wären viele lebensbedrohliche bakterielle Infektionskrankheiten nicht behandelbar. Sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin werden Antibiotika seit Jahrzehnten erfolgreich und in großen Mengen eingesetzt. Doch Antibiotika können längst nicht mehr alle krank machenden Bakterien wirksam bekämpfen, denn viele dieser Bakterien sind heute resistent gegenüber Antibiotikawirkstoffen.

 

1. Wie gelangen Antibiotika in die Umwelt?

Antibiotika werden zur Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten bei Menschen und Tieren eingesetzt. Insgesamt gibt es nur eine überschaubare Anzahl von Wirkstoffgruppen, daher werden viele Antibiotika seit Jahrzehnten gleichzeitig sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin angewendet. Antibiotika und deren Stoffwechselprodukte gelangen durch ihre Verwendung in Human- und Tiermedizin in die Umwelt. Nach der Einnahme erreichen Antibiotika über die Ausscheidungen der Patient*innen mit dem Abwasserstrom die Kläranlagen. Hinzu kommen Produktionsabwässer und unsachgemäß über das Abwasser (Spüle oder Toilette) entsorgte Antibiotika. In herkömmlichen dreistufigen Kläranlagen werden Antibiotika nicht oder nur zu einem geringen Teil entfernt, da viele Wirkstoffe chemisch stabil und überwiegend biologisch schwer abbaubar sind. Mit dem so behandelten Abwasser gelangen Antibiotika in Oberflächengewässer (einschließlich der Meere) oder Böden (Bewässerung, Düngung mit Klärschlamm) und können so ins Grund- oder auch Trinkwasser (Uferfiltration) eingetragen werden.
Bei Anwendung von Antibiotika in der Tiermedizin gelangen die Wirkstoffe über die Ausscheidungen behandelter Tiere in die Umwelt. Durch das Ausbringen von Gülle und Mist als Wirtschaftsdünger, aber auch infolge direkter Ausscheidung durch behandelte Weidetiere, können Antibiotika auf landwirtschaftlich genutzte Böden und in angrenzende Gewässer gelangen.

 

2. Wie viele Antibiotika wurden bereits in der Umwelt nachgewiesen?

In Deutschland wurden bisher 64 unterschiedliche Antibiotika in der Umwelt nachgewiesen. EU-weit gibt es für 124 und weltweit für 199 unterschiedliche Antibiotika Nachweise. Das Umweltbundesamt stellt mit der Datenbank »Arzneimittel in der Umwelt« u. a. Messwerte von Antibiotikakonzentrationen in vielen Umweltkompartimenten aus weltweiten Messungen zur Verfügung. Die Dateneinträge stammen aus öffentlich zugänglicher Literatur. In der Datenbank sind weltweite Umweltkonzentrationen (»Measured Environmental Concentrations«, [MEC]) von Human- und Tierarzneimitteln in verschiedenen Umweltmatrizes, wie Oberflächengewässer, Grundwasser, Sedimente, Gülle, Klärschlämme und Böden bis 2020 erfasst. Eine weitere Aktualisierung der Datenbank ist derzeit in Arbeit.

 

3. Welche “Nebenwirkungen“ haben Antibiotika in der Umwelt?

Es ist bekannt, dass Antibiotika und ihre Stoffwechselprodukte in der Umwelt negative Effekte hervorrufen, indem Umweltorganismen direkt geschädigt werden können. Einzelne Antibiotika verursachen z. B. bereits in Konzentrationen von wenigen Mikrogramm pro Liter im Gewässerökosystem Schäden bei niederen Wasserpflanzen wie Algen oder ⁠Cyanobakterien⁠. Dies kann das natürliche Nahrungsnetz aus dem Gleichgewicht bringen und das gesamte ⁠Ökosystem⁠ schädigen.
Antibiotika haben neben ihren schädlichen Effekten im Wasser auch negative Auswirkungen auf Bodenorganismen, die Bodenfruchtbarkeit kann bspw. beeinträchtigt werden. Auch eine Anreicherung von bestimmten Antibiotika im Boden ist bekannt. Nutzpflanzen können Wirkstoffe aufnehmen, die pflanzentoxisch sind bzw. in die Nahrungskette gelangen können.

 

4. Was ist eine Antibiotikaresistenz?

Antibiotikaresistenz⁠ ist eine Eigenschaft oder Fähigkeit eins Bakteriums, die es unempfindlich gegenüber einem oder mehreren Antibiotika macht. Im Falle einer Infektion mit diesem Bakterium zeigt das entsprechende Antibiotikum keine hinreichende Wirkung mehr und kann somit nicht mehr zur Therapie eingesetzt werden. Infektionen mit resistenten Bakterien sind schwieriger oder schlimmstenfalls gar nicht zu behandeln und können lebensbedrohlich werden.

 

5. Welche Rolle spielen Antibiotikaresistenzen in der Umwelt?

Grundsätzlich ist ⁠Antibiotikaresistenz⁠ ein natürliches Phänomen. Antibiotikaresistente Bakterien kommen überall in der Umwelt vor. Einige Umweltmikroorganismen, wie Pilze oder Bakterien, produzieren Antibiotika als natürliche Abwehrstoffe gegen konkurrierende Umweltbakterien. Im Laufe der Evolution haben die Konkurrenten ihrerseits Resistenzen gegen die Antibiotika entwickelt. Antibiotika und Antibiotikaresistenzen sind demnach Teil der natürlichen Umwelt. Mit Beginn des massenhaften Einsatzes von Antibiotika in der Medizin ab den 1940er Jahren haben Resistenzen jedoch kontinuierlich zugenommen.

Wird eine Bakteriengemeinschaft einem Antibiotikum ausgesetzt, gibt es häufig einzelne Individuen, die zufällig eine ⁠Resistenz⁠ aufweisen. Diese resistenten Bakterien können überleben und sich weiter vermehren. Diesen Vorgang nennt man Selektion. Selektion findet sowohl bei der Anwendung von Antibiotika in der Medizin bei Mensch oder Tier als auch in der Umwelt statt. Darüber hinaus sind Bakterien in der Lage, ihre Resistenzgene miteinander zu teilen oder auszutauschen. Dies nennt man horizontalen Gentransfer. Hierdurch können Bakterien auch Resistenzgene sammeln und so gegen verschiedene Antibiotika unempfindlich werden.
Durch Selektion und horizontalen Gentransfer sind Resistenzen mobil in der Umwelt. Die Entstehung und Verbreitung resistenter Bakterien sowie von Resistenzgenen in der Umwelt birgt durch das Risiko der Übertragung der Resistenz auf krankmachende Bakterien, eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen und Tieren.

 

6. Für welche konkreten Maßnahmen plädiert das Umweltbundesamt? Was können wir alle tun?

Da jeglicher Einsatz von Antibiotika einen Selektionsdruck erzeugt, ist die Förderung des verantwortungsvollen und umsichtigen Einsatzes von Antibiotika bei der Behandlung von Menschen und Tieren der wichtigste Aspekt, um einer weiteren Resistenzentwicklung entgegen zu wirken. Darüber hinaus muss die Weiterentwicklung von Hygienemaßnahmen an der Schnittstelle zwischen der Umwelt und der klinischen Umgebung sowie der Tierhaltung vorangetrieben werden.

Auch jede und jeder Einzelne kann etwas tun - durch Hygiene und einen gesunden Lebensstil kann z. B. Infektionen und damit Antibiotikatherapien vorgebeugt werden. Eine sachgerechte Entsorgung von Altarzneimitteln ist ebenfalls wichtig. Wie Sie alte Arzneimittel in Ihrer Region korrekt entsorgen, können Sie unter www.arzneimittelentsorgung.de in Erfahrung bringen.

All diese Maßnahmen tragen zu einer Minimierung des Eintrags von Antibiotika in die Umwelt bei. Nur so kann der Entstehung von Antibiotikaresistenzen in der Umwelt und der Übertragung auf den Menschen wirksam entgegengewirkt werden.

Darüber hinaus erfordert die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen einen ganzheitlichen und sektorübergreifenden Ansatz, der als „One Health“-Ansatz bezeichnet wird. Das Umweltbundesamt unterstützt die Umsetzung dieses Ansatzes ausdrücklich, denn Antibiotikaresistenzen betreffen Menschen, Tiere, Pflanzen und die Umwelt.

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